- 05.08.2019
SCHALTSCHRANKLOS ENERGIE VERTEILEN
3 FRAGEN AN MEINBRAD BRAUN, PRODUKT MANAGER ENERGIEBUSSYSTEME INDUSTRIE BEI WIELAND ELECTRIC
Herr Braun, die großen Trends im Maschinenbau sind Digitalisierung, Modularisierung und Dezentralisierung. Welche Rolle spielt hierbei die schaltschranklose Installation?
Die schaltschranklose Installation ist überall dort sinnvoll, wo über weite Strecken hinweg Geräte oder Antriebe mit Energie versorgt oder Signale übertragen und verarbeitet werden müssen. Sie eignet sich vor allem in großen Maschinen und Anlagen und kann überall dort eingesetzt werden, wo sich die Leitungsführung vom zentralen Schaltschrank ins Feld sinnvoll durch Energiebuslösungen und Feldbuskommunikation ersetzen lässt. Dabei geht es aber nicht darum, aus einem Schrank nun viele kleine Schränke mit den gleichen Funktionen zu machen, sondern den Komponenten zusätzliche Funktionen für einen höheren Nutzen hinzuzufügen. Die vor-Ort-Diagnose ist dafür ein gutes Beispiel. Verfügt ein dezentraler Motorstarter über eine Anzeige für seinen Betriebszustand, so lässt sich gleich vor Ort erkennen, was sich in diesem Zweig gerade tut oder eben nicht tut, wenn eine Störung vorliegt. Folglich rennt niemand mehr zwischen Schaltschrank und Störstelle hin und her, sondern behebt den Fehler schnell und fährt die Anlage auch zügig wieder an.
Wo liegen die konkreten Anwendungsfelder und welche Vorteile hat die dezentrale Installation?
Ein Applikationsfeld wäre die Logistik, wo Anlagen über hunderte Meter oder sogar Kilometer hinweg Güter transportieren. Hier müssen auch die einzelnen Antriebe mit elektrischer Energie versorgt werden. Realisiert man dies mit einem zentralen Schaltschrank, dann sind nicht nur unvorstellbare Mengen an Kabeln, sondern auch riesige Kabeltrassen erforderlich. So wird die elektrische Installation immer mehr zu einer unvertretbaren Materialschlacht. Ähnliches gilt für die Fabrikautomation, insbesondere die Versorgung von Fertigungszellen. Auch hier müssen über große Strecken hinweg eine Vielzahl von Geräten angebunden werden. Auf Basis eines Energiebussystems lässt sich der Aufwand an zentralen Schaltschränken auf die Hauptverteilung reduzieren. Das spart schon mal Kosten und macht die Anlagenplanung flexibler, weil weniger Schaltschränke zu berücksichtigen sind. Zweitens bietet das Flachleitungssystem den Vorteil, dass die Abgriffe für die Antriebe flexibel positioniert werden können. Das gilt übrigens auch für den Einspeisepunkt, um die Last auf dem Energiebus auszubalancieren. Damit lässt sich die Stromlast auf dem Kabel voll ausnutzen und gleichzeitig Überlast vorbeugen. Im Vergleich zur klassischen Punkt-zu-Punkt Verkabelung mit Klemmenboxen ist diese Art der Installation weniger anfällig für Fehler und viel einfacher und schneller in der Installation. Auch beim Umbau zeigen sich die Stärken: Ein Verkabeln ist nicht notwendig, da der Energiebus ja bereits da ist. Darüber hinaus erfolgt das Anschließen ohne Abmanteln und Abisolieren, sondern mit Durchdringungskontakten schneller geht’s nicht.
Welche Lösungen hält Wieland für die schaltschranklose Energieverteilung bereit und wie verhält es sich mit den Kosten im Vergleich zu konventionellen Installationen?
Den Grundstein legen wir hier ganz klar mit unserem podis®-Energiebussystem. Neben den Komponenten für die dezentrale 400 V-Strukturen setzen wir in diesem Jahr das Thema 24 V-Verteilung neu in Szene. Dafür haben wir ein leistungsstarkes, dezentrales Netzteil und Abzweige mit Überstromschutz ins Portfolio aufgenommen. Mit diesen Komponenten können wir unseren Kunden die Vorteile der dezentralen Energieverteilung auch für die Kleinspannungsnetze anbieten. Auch hier liegen die gleichen Anwendungen zu Grunde, und zwar weit ausgedehnte Maschinen und Anlagen, wie zum Beispiel in Logistikzentren oder bei der Fabrikautomation. Es mag zwar sein, dass die Materialkosten des dezentralen Systems etwas über den Standardkomponenten liegen, aber es rechnet sich schon bei der Installation. Zum einen benötigt man nur einen Bruchteil der Zeit. Wie wir in diesem Videovergleich zeigen, braucht man mit dem podis®-System nur ein Zehntel bis zu einem Drittel der Zeit, um die gleiche Installation auszuführen und das ohne vertauschte Kabel, offene Kontaktstellen oder eingeschnittene Isolation. Zum anderen machen es gerade die Modulbauweise und dezentrale Struktur möglich, Anlagen über ihren Betriebslebenszyklus hinweg immer wieder an neue Anforderungen anzupassen, die Anlagenverfügbarkeit hoch zu halten und damit die Produktivität zu steigern. Weniger der Beschaffungspreis ist von Bedeutung, sondern die Produktivität entscheidet über die Investition.